Als Fritz im Alter von 17 Jahren, kurz vor Kriegsende, zur Waffen-SS
eingezogen wurde, ging alles sehr schnell. Gemeinsam mit 20 anderen, jungen
Soldaten, verfrachtete man ihn in einen geheimen Bunker in der brandenburgischen
Pampa um dort die Stellung zu halten und auf den Führer zu warten. Dann war der Krieg vorbei und man hat die jungen Soldaten einfach
vergessen. Die Jahre zogen ins Land und ohne Kontakt zur Außenwelt, haben die
Männer nie erfahren dass der Krieg schon längst vorbei ist.
Dummerweise wurde im Laufe der Jahre aus dem Wald ein Militärübungsgelände
und somit hörten die Soldaten im Bunker immer wieder Schüsse und
Militärflugzeuge, weshalb für sie feststand, dass der Krieg auch nach 60 Jahren
noch im vollen Gang ist und sie die Stellung zu halten haben bis sie neue Befehle
bekommen.
Im Jahr 2004 sind lediglich noch 4 von den inzwischen fast 80 jährigen
Soldaten übrig, da viele bereits an Altersschwäche oder auch Krankheit verstorben
sind. Als dann der letzte Dosenöffner abbricht, nehmen die 4 dies als Zeichen
und beschließen nach tagelangem hin und her überlegen doch den Bunker zu
verlassen, sich auf den Weg zur „Reichshauptstadt“ zu machen um dort neue
Befehle entgegen zu nehmen…!
Otto, der Ranghöchste Soldat, ist bereits Mitte 80, extrem schlecht zu
Fuß und wird bei Ihrem Marsch durch kleine, brandenburgische Dörfer deshalb in
einem Sessel geschoben. So machen sich die 4 Kammeraden auf den Weg, natürlich
extrem vorsichtig und selbstverständlich in standesgemäßer Waffen-SS Uniform
und mit Gewehren bewaffnet…!
Auf Ihrem Weg kommen den Soldaten nicht die geringsten Zweifel daran
dass der Krieg noch in vollem Gange ist, schließlich sind die Straßen marode, in
kleinen Dörfern sind viele Häuser leerstehend oder verfallen und lediglich
ältere Menschen sind auf den Straßen anzutreffen. Diese schauen beim Anblick
der 4 Soldaten zwar oftmals sehr verstört aber das ist ja auch klar denn
eigentlich sollten die Männer ja an der Front kämpfen und nicht durch die
Gegend ziehen…! Bei wenigen zaghaften Unterhaltungen (das deutsche Volk ist
durch den immer noch andauernden Krieg scheinbar stark traumatisiert) erfahren
sie, dass die jungen Männer alle im Westen sind (dort müssen also die größten
Gefechte stattfinden)! Aber es ist doch schön zu wissen dass es nach so vielen
Jahren des Krieges immer noch genügend tapfere Soldaten gibt die für das Deutsche
Reich kämpfen denn schließlich sieht man auch hier und da immer wieder Gebäude
mit Hakenkreuzverzierungen und der Parole „Sieg Heil“!
Es dauert nicht lange da erwecken die 4 komischen Alten in Ihren
SS-Uniformen natürlich Aufsehen und werden von Reportern (dem 27 jährigen Benny
und seinem Team) und der SoRex (Sonderkommission Rechtsextremismus, geleitet
von der 40 jährigen Evelyn) verfolgt. Irgendwie gelingt es den alten Herren
aber immer wieder zu entkommen, sei es durch Glück, Zufall oder der Hilfe von
Jugendlichen Neonazis die die Alten natürlich total super finden und die sie
unwissentlich in ihrem Glauben bestärken dass der Krieg noch nicht vorbei ist
denn von Nichts anderem lassen sich die 4 Kameraden überzeugen…!
Die Geschichte spielt im Jahr 2004 und wird aus verschiedenen
Perspektiven erzählt. Der fast 80 jährige Fritz hat die 60 Jahre im Bunker akribisch
in unzähligen Tagebüchern festgehalten und auch auf der „Flucht“ nach dem
Bunker, schreibt er fleißig weiter und hält seine Eindrücke und Erlebnisse fest.
Dabei richtet er sich ganz speziell an seine geliebte Lisbeth, der er in
Briefform alles erzählt…!
Im Laufe der Geschichte bekommt der Leser auch nach und nach mehrere
Male Eindrücke von den Geschehnissen im Bunker, da der Journalist Benny diese
Tagebücher in die Finger bekommt und immer wieder mal in ihnen liest…!
Die zweite Perspektive ist nämlich Bennys Sichtweise, der nämlich seine
Erlebnisse rund um die alten SS-Soldaten aufgeschrieben hat und in Briefform
Evelyn davon berichtet. Dabei wird ziemlich schnell klar dass Benny und Evelyn
mittlerweile ein Paar sind…!
Die dritte Perspektive ist die von Evelyn denn auch sie hat die
komplette Geschichte aufgeschrieben und richtig ihre Briefe speziell an Benny.
Man könnte also sagen, dass das komplette Buch fast nur auf Briefen und
Aufzeichnungen besteht, was ich eine gute Idee finde und der Spannung absolut
keinen Abbruch tut! Außerdem ist es sehr interessant die Geschichte aus
verschiedenen Sichtweisen, von doch sehr unterschiedlichen Personen erzählt zu
bekommen…!
Ich habe viel gelacht, Fritz´ Sichtweise ist teilweise einfach nur zum
Schreien, ich war aber auch betroffen denn obwohl es sich um SS-Soldaten
handelt, so können sie einen in gewissen Situationen schon wirklich Leidtun und
teilweise erwischt man sich sogar dabei dass manche Ihrer Aussagen tatsächlich
Hand und Fuß haben! Z.B ist Fritz außer sich als er erfährt, dass junge,
glatzköpfige Männer in der Nacht einen türkischen Imbiss angezündet haben denn „So
etwas Feiges und hinterhältiges macht ein anständiger Deutscher nicht“! Generell
muss man Fritz des Öfteren mal Recht geben und ist dann darüber erstaunt dass
er zwischendurch wirklich vernünftige Sätze von sich gibt und Sichtweisen
vertritt…!
Wer jetzt denkt dass das Buch nur ein Abklatsch von Timur
Vermes „Er ist wieder da“ ist, dem sei gesagt, dass dieses Buch einige Jahre
früher erschienen ist und auch nicht ganz sooo leichte Kost ist wie „Er ist
wieder da“ (welches ich übrigens auch großartig fand)!
Dieses Buch ist auf viel mehr Ebenen zugänglich und
behandelt unzählige Themen gleichzeitig wie z.b den (richtigen) Umgang mit der
dunklen Vergangenheit (aber welcher ist der richtige Umgang?) es befasst sich
mit Pressefreiheit und Vertuschungsaktionen seitens der Polizei, Vetternwirtschaft,
Amtsmissbrauch, mit blindem Vertrauen und dem Folgen falscher Ideale und noch
sooo vielen Themen mehr. Denn nicht nur die 4 alten SS-Soldaten stehen im
Mittelpunkt sondern auch die Kapitel über Bennys und Evelyns Erlebnisse und das
ist auch wirklich gut so denn man bekommt einen intensiven und speziellen Einblick
über Polizeiarbeit und Journalismus…! Die Geschichte zeigt wie sehr man dazu
neigt blind zu vertrauen und wie ratsam es ist, auch über den eigenen Horizont
zu blicken und Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu
hinterfragen…! Sie zeigt wie leicht Meinungen doch kippen können und das die
Grenzen zwischen richtig und falsch oftmals nicht so leicht zu durchschauen
sind…!
Das Buch ist absolut lesenswert, es hat mir super
gefallen und es wundert mich sehr dass es nicht so erfolgreich wurde wie „Er
ist wieder da“! Vermutlich liegt es aber daran, dass es doch ein wenig
anspruchsvoller ist denn gerade in Evelyns „Polizeikapiteln“ geht es doch auch
häufiger um Hintergründe und Politik und auch Benny fängt nach und nach an
intensiver nachzudenken, Zusammenhänge zu verstehen und Sachen in Frage zu
stellen…!
Hans Waal wurde 1968 geboren, lebt mit seiner Familie in Leipzig und
arbeitet unter seinem richtigen Namen in Berlin und schreibt für den „Stern“.
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