Sam war gerade mal 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in Polen
einmarschierte. Mit der Familie lebte er in einem oberschlesischen
Städtchen, der Vater war Schneider und stopfte den Leuten die Hosen. Da
wurde aus dem Städtchen ein Ghetto, und Sam, der damals noch »Szlamek«
hieß, war mittendrin. Er überlebte, auch den Todesmarsch nach Auschwitz,
die Selektion durch Mengele, die Zwangsarbeit, den Schiffbruch auf der
Cap Arcona. All das erlebte Sam in den kurzen Jahren seiner Kindheit und
Jugend. Vierzehn Mal entging er dem Tod. Der Krieg ließ keine
Möglichkeit, an ein Morgen zu denken. Und wen interessierte nach dem
Krieg das Gestern? Am Ende seines unglaublichen Lebens gelingt es Sam
Pivnik, einem der letzten Überlebenden von Auschwitz, darüber zu
sprechen.
Sam wuchs in ärmlichen aber glücklichen Verhältnissen im
oberschlesischen Städtchen Bedzin auf. Der Vater arbeitete als
Schneider, die Mutter war Hausfrau. Sam und seine 5 Geschwister gingen
zur Schule und freuten sich jedes Jahr auf den Sommer, den sie im ca. 80
Km entfernten Örtchen beim Onkel verbrachten.
Zwar gab es auch vor dem Krieg schon immer Reibereien mit nicht
jüdischen Familien denn Juden waren noch nie besonders gut angesehen
aber als am 1. September 1939 die Deutschen in Polen einfielen, änderte
sich alles und plötzlich waren die Juden DER „Feind“ schlechthin.
Der Ort Bedzin wurde bombardiert, viele Leute flüchteten aber Sam und
seine Familie blieben. Schon sehr bald herrschten
Nahrungsmittelknappheit und bittere Armut aber als jüdische Familie
brauchten die Pivniks gar nicht erst mit Unterstützung, egal von welcher
Seite, zu rechnen. Die Lage wurde immer schlimmer und schon bald musste
die Familie ihre Wohnung aufgeben denn auch in Bedzin wurden am
Stadtrand die ersten Ghettos errichtet und Juden durften nicht mehr in
ihren gewohnten Umgebungen wohnen. Auch in den wenigen Geschäften in
denen sie vor kurzem noch Lebensmittel erwerben durften gab es für sie
bald nichts mehr zu essen…!
Dann wurde eines Tages auch das Ghetto geräumt und die Juden sollten
„umgesiedelt“ werden. Es entstanden Tumulte und viele Familien die sich
weigerten wurden erschossen. Sam und seine Familie versteckten sich
mehrere Tage aber der drohende Hungertod und die Angst vor dem
verdursten ließen sie schließlich kapitulieren und so wurde auch die
Familie Pivnik in einen überfüllte Zug gepfercht und abtransportiert…!
Die Reise endete in Auschwitz-Brikenau, dem berühmtesten und grausamsten
„Arbeitslager“ der NS Zeit.
Bereits bei der Ankunft an der „Rampe“ wurde Sam von seiner Familie
getrennt denn er wurde nach rechts geschickt, seine komplette Familie
aber nach links in die Gaskammern…! Die nächsten Jahre erlebte Sam eine
unvorstellbare Hölle und es ist bis heute noch unglaublich dass er diese
überhaupt überlebt hat…!
Die Geschichte beginnt mit Sams Erzählungen darüber wie er schwer
erkrankt mit „Judenfieber“ (Typhus) auf der Krankenstation in
Auschwitz-Birkenau erwacht und nur knapp dem Tode entkommt weil ihn der
berüchtigte Dr. Mengele trotz seiner schweren Krankheit doch nicht in
die Gaskammer bringen lässt.
Dann macht die Geschichte einen Sprung zurück und in den ersten
Kapiteln wird über Sams Kindheit in Bedzin vor dem Krieg, den Sommern
auf dem Land und seinem bisherigen Leben erzählt…! Dann geht alles
rasend schnell und die Geschichte entwickelt ein dramatisches Tempo! Mit
unglaublich viel Detailgenauigkeit und einem enormen
Erinnerungsvermögen (auch was Namen von Personen und Daten betrifft)
durchlebt man quasi gemeinsam mit Sam die unvorstellbar schrecklichen
Jahre der Gefangenschaft…!
Selbstverständlich wird die Geschichte aus Sams Ich-
Erzählperspektive erzählt, so dass man wirklich das Gefühl hat Sam zu
begleiten! Man kann es sich eigentlich nicht vorstellen dass überhaupt
ein einziger Mensch dieses Grauen und diese Willkür überlebt hat aber
Sam hat es geschafft und er ist dem Tod unzählige Male nur ganz knapp
entkommen…!
Ich konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen, es war extrem
spannend, hat mich extrem ergriffen und mehr als einmal sind mir Tränen
in die Augen gestiegen…! Unfassbar was Sam alles erleben und erdulden
musste…!
Natürlich haben wir alle schon unzählige Bücher über den Holocaust
gelesen (in der Schule wurde man ja jahrelang mit fast nichts anderem
überschüttet) aber dieses Buch war das Beste aber auch grausamste das
ich je zu diesem Thema gelesen habe!
Jeder kennt mit Sicherheit auch unzählige Reportagen über die
Judenvernichtung in den verschiedenen Konzentrationslagern aber es ist
doch noch mal etwas ganz anders wenn es um Einzelschicksale geht und man
die Figur/Person quasi auf einem jahrelangen Leidensweg begleitet, mit
ihr mitfiebert und eine emotionale Bindung zu ihr aufbaut…!
Sams Geschichte ist auch etwas ausgewöhnlicher als die anderer Juden,
denn Sam hatte zumindest ein wenig Glück im Unglück. Während die
meisten Juden nur kurze Zeit in Auschwitz arbeiten „durften“ und dann
ins Gas geschickt wurden, kam Sam irgendwann raus aus Auschwitz und
musste in einem alten polnischen Kohlebergwerk arbeiten. Auch dort war
das Leben die Hölle auf Erden aber dort hat er überlebt.
Sehr interessant fand ich auch dass man durch Sams Erzählungen von
vielen SS Leuten erfährt von denen man vorher noch nie etwas gehört hat,
einfach weil sie nicht so bekannt sind/waren sie standen den „hohen
Tieren“ an Grausamkeit aber in nichts nach…!
Sam überlebte nicht nur Auschwitz, das polnische Bergwerk und den
Todesmarsch kurz vor der Befreiung, sondern auch die Bombardierung des
Schiffes „Cap Arcona“ auf das er mit unzähligen anderen überlebenden
Juden von der SS zusammengepfercht wurde. Es ist wirklich unglaublich
wie oft Sam dem Tod entkommen ist, ich glaube es gibt keinen Menschen
der mehr Schutzengel auf seiner Seite hat…!
Auch von diesen Ereignissen erzählt Sam ausführlich und ich habe jedes Wort verschlungen…!
Sehr gut finde ich auch dass man auch viel über Sams späteres Leben
nach dem Krieg erfährt. Man erfährt wie die erste Jahre verlaufen sind,
wie es ihm ergangen ist, was aus ihm geworden ist und wie er alles
verkraftet hat. Erstaunlich dass man so eine Jugend und solche
Erlebnisse überhaupt verkraften kann!
Außerdem erfährt man auch was aus gewissen SS Monstern aus Auschwitz
geworden ist denn selbstverständlich haben Sam diese Jahre nie wieder
losgelassen und er hat immer versucht zu verfolgen was aus seinen
Peinigern geworden ist und hat auch einiges unternommen um zumindest ein
paar dieser Monster zur Rechenschaft zu ziehen. Auch darüber wird in
den letzten Kapiteln ausführlich berichtet und das hat mir ausgesprochen
gut gefallen.
In der Mitte des Buches findet man 15 Seiten mit Originalfotos von
Sam und seiner Familie, von der Befreiung und auch aus seinem späteren
Leben. Diese Fotos haben mich auch sehr berührt und bringen einen das
Buch NOCH einmal ein Stück näher.
Ich könnte noch ewig weiterschreiben aber irgendwann muss ja auch mal
Schluss sein. Ich hoffe meine Rezension kann diesem Buch irgendwie
gerecht werden denn es ist ein absolut großartiges Werk und unbedingt zu
empfehlen!!
Allerdings ist es nichts für schwache Nerven, es ist extrem heftig!
Ganz, ganz großes Kino! Ich bin extrem begeistert!!
Sam Pivnik wurde 1926 in Oberschlesien geboren und lebt heute in einem Seniorenheim in London