45 Gegenstände, 1 unvergessliche Geschichte.
 Captain Tom Barnes leitet einen Einsatz der britischen Armee, als 
er auf eine Landmine tritt. Zwei einheimische Jungen werden in den 
Konflikt hineingezogen, kaum ahnend, was dort geschieht. Auf allen 
Seiten verändert Gewalt das Leben von Grund auf.
 In diesem ungewöhnlichen Roman erzählen die Gegenstände des 
Krieges: Turnschuhe, Soldatenstiefel, Helm, ein paar Dollar, eine 
Drohne, ein Fahrrad, ein militärischer Orden, ein Glas Bier, eine 
Schneeflocke, medizinisches Gerät und eine Landmine.
 
Ein sehr ungewöhnliches/außergewöhnliches Buch und mir fällt das Rezensieren deshalb auch etwas schwer.
Die Geschichte wird nach und nach aus der Perspektive von 
verschiedenen Gegenständen erzählt die den Soldaten Tom Barnes bei 
seinem Einsatz und dem Leben danach begleiten. Da wären zu Beginn z.b 
die neuen Kampfstiefel, die beschreiben wie Barnes mit Ihren losrennt um
 sie geschmeidig zu machen und sie einzulaufen oder eine Patrone die 
sich in seiner Hosentasche befindet. Diese Gegenstände erzählen ziemlich
 genau was um sie herum passiert. Sie tun dies auf eine recht nüchterne 
und neutrale Beobachtungsweise, was schreckliche Dinge auf eine ganz 
verstörende Art irgendwie noch schrecklicher wirken lässt.
Barnes tritt im Einsatz in der Wüste auf eine Tretmine und diese 
beschreibt z.b sehr detailliert und emotionslos wie Barnes Blut sie 
besudelt, wie er durch die Luft geschleudert wird und Fleischstücke 
weggeflogen sind. Auch seine Hundemarke beschreibt dieses Erlebnis aus 
ihrer sicht.
Die neutrale Beobachtungsweise der Gegenstände vermittelt dem Leser 
oftmals aber auch eine ganz besondere Nähe und es sind vor allem die 
medizinischen Geräte, deren Beobachtungen/Berichte mich sehr bewegt 
haben und die einem dem Soldaten Tom Barnes sehr nahe bringen!
Besonders die Knochensäge, die von Barnes Amputationen erzählt hat 
mich sehr berührt denn Barnes hat durch die Tretmine beide Beine 
verloren. Zuerst wird ihm das erste Bein amputiert weil die Verletzungen
 einfach zu schwer waren um es zu retten und ein paar Tage später muss 
ihm dann auch noch das zweite Bein amputiert werden da sich eine 
Infektion eingeschlichen hat. Diese Infektion wurde durch einen Pilz 
hervorgerufen und eine Pilzspore berichtet wie sie bei der Explosion in 
Barnes Bein eingedrungen ist und unbemerkt wachsen konnte.
Aber auch die Berichte einer Blutkonserve, des Tubus, des 
Urinkatheters und dem Klingelknopf an Barnes Bett haben mich sehr bewegt
 und haben mir am besten gefallen denn diese Gegenstände berichten auch 
was sie sonst noch mitbekommen haben, so wie z.b die Besuche von Toms 
verzweifelten Eltern an seinem Krankenbett als er tagelang mit dem Leben
 rang…!
Auch die Handtasche von Toms Mutter berichtet detailliert (aber nüchtern) über die Verzweiflung die sie beobachten konnte!
Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt und immer wieder gibt
 es zwischen den Krankenhauskapiteln auch Kapitel aus dem Einsatz und 
diese Kapitel werden z.b aus der Sicht eines Feldbettes, eines 
Feldpostbriefes oder Barnes Soldatenrucksack erzählt.
Sehr berührt haben mich auch die Kapitel aus der Reha, die z.b von 
einem Badezimmerspiegel, seiner Prothese und seinem Rollstuhl erzählt 
werden.
Interessant finde ich dass die „Zivilgegenstände“ immer über Tom als 
Person berichten, die Militärgegenstände ihn aber immer nur als die 
Dienstnummer BA5799 bezeichnen. Eine wirklich gute Idee, so zeigt dies 
meiner Meinung nach doch sehr gut dass Toms Schicksal kein Einzelfall 
ist sondern auf unzählige Soldaten zutrifft…!
Die Geschichte ist generell alles andere als einseitig denn die 
Gegenstände berichten nicht nur von Tom und seiner Familie sondern ein 
Teil dreht sich auch um die Leute aus dem Kriegsgebiet, hauptsächlich um
 einen jungen Mann namens Faridum und seine Bauernfamilie.
Faridums Erlebnisse werden z.b durch sein Fahrrad, einen handgewebten
 Teppich oder einen Sack Dünger wiedergegeben. Ein Kapitel, in dem 
Faridum in Streit gerät, wird sogar aus zwei unterschiedlichen 
Perspektiven erzählt, nämlich einmal aus Sicht des Düngersackes und 
einmal aus der Sicht von ein paar Turnschuhen.
Sehr bewegend war auch ein Kapitel gegen Ende des Buches, indem eine 
Schubkarre erzählt wie Faridums Vater die Leiche seines Sohnes in ihr 
transportiert hat.
Das Buch ist sehr vielschichtig denn es beschreibt das Grauen des 
Krieges aus wirklich vielen Perspektiven und es gibt auch nicht wirklich
 „die Guten“ oder „Die Bösen“ sondern die Geschichte zeigt dass alle 
Seiten gleichermaßen betroffen sind und es „schuldig“ und „unschuldig“ 
nicht wirklich gibt und die Grenzen fließend sind…!
Als Barnes gelernt hat mit seinen Prothesen klarzukommen, da 
berichtet ein Bierglas in einer Kneipe wie Barnes über all das denkt was
 ihm zugestoßen ist und was er erlebt hat einer von Barnes Sätzen hat 
mich wirklich sehr beeindruckt denn er lautet „Du hast ja keine Ahnung, 
würden die Leute die mir das angetan haben jetzt zur Tür hereinkommen 
dann würde ich sie zu einem Bier einladen“.
So traurig und dramatisch diese Geschichte auch ist, sie ist aber 
auch hoffnungsvoll und steckt voller Zuversicht denn sie Endet mit einem
 Bericht von Barnes neuer Laufprothese, mit denen er nun sehr oft joggen
 geht und sich beim Laufen im Wind erleichtert und frei fühlt und voller
 Zuversicht in die Zukunft blickt…!
Die Geschichte ist so schon etwas Besonderes und wird noch besonderer
 wenn man weiß dass der Autor als 23 Jähriger Mann tatsächlich im 
Einsatz war und dort beide Beine verloren hat! Wie viel von dieser 
Geschichte jetzt tatsächlich autobiografisch ist kann ich nicht sagen 
aber ich vermute mal eine ganze Menge…!
Ein lesenswertes Buch, was aber auch seine Schwächen hat denn gerade 
die Berichte aus dem Einsatz waren mir etwas zu viel und zu langatmig! 
Das Buch ist nichts was man ein fix drei runtergelesen hat und gehört 
durch seinen sehr ungewöhnlichen Stil und das ernste Thema schon 
irgendwie zur schwereren Kost, ist aber auf jeden Fall lesenswert und zu
 empfehlen!
Harry Parker, aufgewachsen in Wiltshire, ging mit 23 Jahren zur 
britischen Armee und war im Irak und Afghanistan im Einsatz. Er lebt 
heute er als Schriftsteller und Künstler in London.